Mit dem BGH-Beschluss (IV ZR 433/19) äußert sich die höchste Instanz zum ersten Mal zum Thema “Mercedes Thermofenster”. Das Gericht befasste sich mit dem Emissionssystem von Daimler, das die Abgasreinigung in Abhängigkeit von der Außentemperatur steuert. Für einen Schadensersatzanspruch sind zusätzliche Umstände erforderlich – auch wenn das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung sein sollte.

Karlsruhe zum Thema “Thermofenster”
Der Kläger kaufte im Jahr 2012 einen Mercedes C 220 CDI. Das Fahrzeug war mit dem Motor OM 651 ausgestattet. Es erfolgte jedoch kein Rückruf durch das KBA. Der Dieselfahrer argumentierte, sein Auto habe ein sogenanntes “Thermofenster” verbaut. Durch dieses System sind die Emissionen des Autos bei der NEFZ-Prüfung (Prüfstand) niedriger, aber bei niedrigen oder höheren Außentemperaturen im realen Fahrbetrieb führt die Abshlatung der Abgasreinigung zu wesentlich höheren NOx-Emissionen.
Obwohl die Klage in den beiden Vorinstanzen keinen Erfolg hatte, gab der BGH sie zur erneuten Prüfung an das Berufungsgericht zurück.
Die Vorinstanz hat unterstellt, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt. Diese Position wurde vom BGH nicht verneint.
Für die “Sittenwidrigkeit” des Verhaltens des Herstellers müssen weitere Faktoren nachgewiesen werden, damit Mercedes-Diesel-Besitzer einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 826 BGB haben. Diese Faktoren sind das Wissen und Wollen des Herstellers, die Vorrichtung zu benutzen, um das Gesetz zu umgehen. Mindestens muss der Hersteller den Gesetzesverstoß billingend in Kauf genommen haben.
Nun muss das Berufungsgericht die Argumente und Beweisangebote des Klägers, die seine Auffassung stützen, erneut prüfen. Nämlich, ob genau das Bewusstsein beim Hersteller (Vorstand oder leitende Angestellte) gegeben war durch die Einstellung der Abschalteinrichtung Abgaswerte zu maipulieren.
BGH- Beschlusses zum Thermofenster
Die schriftliche Argumentation des BGH (Entscheidungsgründe) muss abgewartet werden. Allerdings hat das Gericht mit dieser Entscheidung die Position des Klägers gestärkt:
Der Daimler-Konzern kann nicht einfach vortragen, das sog. Thermofenster führe nicht zur Haftung, da es zu Erhaltung der Motorentechnik notwendig sei. Der Kläger muss jedoch das Bewusstsein bei Verwendung einer illegalen Abschalteinrichtung nachweisen können.
Wie immer muss jedes Gerichtsverfahren als Einzelfall betrachtet werden. Das bedeutet aber, dass die Gerichte den Anspruch des Klägers nicht deshalb verneinen können, weil sein Vortrag “ins Blaue hinein” erfolgte. Vielmehr muss Daimler genau darlegen, welche Angaben und Details in Bezug auf die Funktionsweise der Abgasreinigungsanlagen gegenüber der Behörde gemacht wurden.
Aussichten auf Schadensersatz gegen Daimler sind gestiegen
Wenn Daimler früher Dokumente als Beweis vorlegte, die geschwärzt oder nicht vollständig waren, muss der Autokonzern jetzt die Fakten offenlegen. So entschied zum Beispiel das OLG Naumburg in seinem Urteil vom 18.09.2020 – 8 U 8/20: Der Hersteller muss den vollständigen Rückrufbescheid, die Mitteilung zum Thema “Software-Update” und ggf. den eingelegten Widerspruch vorlegen. Nur der Sachverhalt ist nicht ausreichend. Daimler muss die Begründung und den Tenor vorlegen, um der sekundären Darlegungslast zu genügen.
Justus rät
Diese neue Entscheidung des BGH zum sogenannten Thermofenster bringt noch keine Rechtssicherheit für betroffenen Mercedes- Dieselkäufer. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen temperaturrelevanter Manipulation ist weiter möglich und durchsetzbar. Allerdings muss der Kläger im Einzelfall genügend Beweise für seine Ansicht vorlegen, dass Mercedes das EU-Recht bewusst umgangen hat. Denn im Gegensatz zu den VW- Abgasskandal Fällen ist die Sittenwidrigkeit, also die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die Daimler AG bislang noch nicht höchstrichterlich festgestellt.
Letztlich wird der Beweis nur gelingen, wenn und soweit deutsche Gericht dem beklagten Konzern und ggf auch dem Kraftfahrtbundesamt (KFB als Günstling der Automobilindustrie) in den Verfahren endlich auferlegen, zumindest sämtliche Pflichtangaben zu der Beschaffenheit und Funktionsweise der im konkreten Mercedes – Modell verbauten Abgassteuerung ungeschwärzt offen zu legen. Die Daimer AG mauert hier bislang erfolgreich mit Datenschutz und Betriebsgeheimnissen und spielt auf Zeit.
Ist Ihr Fahrzeug vom Diesel-Abgasskandal betroffen? Nicht nur VW, sondern auch Audi, Porsche, Skoda, Seat, Opel, Mercedes-Benz und BMW haben am Dieselgate teilgenommen.
Kostenfreie Erstberatung, unseren Auto-Abgass-Check und Schadenersatzrechner finden Sie auf unserer Internetseite zum Diesel Abgasskandal www.justus-abgasskandal.de