Knapp fünfeinhalb Jahre nach dem Auffliegen des VW-Abgasskandals beschäftigt sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Haftung der Konzerntochter Audi. Die obersten Zivilrichter in Karlsruhe verhandelten am Montag (13.00 Uhr) einen Musterfall aus Sachsen-Anhalt, in dem der Diesel-Käufer nicht den VW-Konzern, sondern Audi direkt auf Schadensersatz verklagt hat. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 8. März 2021 (Az.: VI ZR 505/19) die Revision in einem Dieselverfahren gegen eine Verurteilung der Audi AG angenommen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Vorausgegangen waren Urteile des Landgerichts Halle (Urteil vom 07.05.2019, Az.: 9 O 13/18) und des Oberlandesgerichts Naumburg (Urteil vom 30.10.2019, Az.; 3 U 42/19).
BGH sieht keine Haftung von Audi im Abgasskandal – Az. VI ZR 505/19

Die BGH-Richter gehen nach Vorberatungen nicht davon aus, dass Audi von den Abgasmanipulationen bei VW zwangsläufig gewusst haben muss. Der Nachweis, dass Audi selbst sittenwidrig handelte, indem Sie den VW Motor mit der Abschlateinrichtung verwenden, ist schwer zu erbringen. Der verhandelte Fall wird daher aller Voraussicht nach an das Oberlandesgericht Naumburg zurückverwiesen. Hier erhält der Kläger Gelegenheit zur Sittenwidrigkeit von Audi konkreter vorzutragen. Das Urteil des BGH (Bundensgerichtshof) – IV ZR 505/19 – ist noch nicht veröffentlicht.
Klage wegen “sittenwidriger Schädigung”
Der Audi-Besitzer hatte im Mai 2015 einen gebrauchten Audi A6 Avant gekauft. In dem Fahrzeug war der Dieselmotor EA 189 mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung eingebaut. Diese Motoren hatte Audi vom Mutterkonzern VW übernommen. Bei diesen Dieselmotoren wurde der vorgeschriebene niedrige Stickoxidausstoß nur auf dem Prüfstand erreicht, nicht jedoch im Straßenverkehr. Nachdem der Dieselskandal öffentlich wurde, gab es eine Rückrufaktion. Das Fahrzeug des Klägers erhielt 2016 ein Software-Update. Der Besitzer klagte dennoch auf Schadenersatz wegen sittenwidriger Schädigung und will das Auto gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben.
OLG Naumburg hatte Audi zum Schadensersatz verurteilt:
Die Frage in diesem BGH Verfahren ist, ob auch Audi sittenwidrige Schädigung vorzuwerfen ist. Der Skandalmotor EA189 wurde bei VW entwickelt. Das Oberlandesgericht Naumburg hatte dem Kläger trotzdem zuletzt rund 20 000 Euro Schadenersatz plus Zinsen zugesprochen. Die Richter am Oberlandesgericht meinten, dass der Ingolstädter Autobauer genauso hafte, weil er die unzulässige Technik in seinen Fahrzeugen eingesetzt und diese in Verkehr gebracht habe.
Klagen von Audi Diesel Käufern sind daher eher gegen VW als Motorhersteller selbst zu richten.
Dass Volkswagen mit dem heimlichen Einsatz einer manipulierten Abgastechnik Millionen Autokäufer systematisch getäuscht hat und dafür grundsätzlich haftet, steht seit Mai 2020 fest. Damals entschieden die obersten Zivilrichter des BGH in ihrem ersten und wichtigsten Urteil zum Diesel-Skandal, dass Kläger ihr Auto an VW zurückgeben können. Sie bekommen aber nicht den vollen Kaufpreis zurück, sondern müssen sich gefahrene Kilometer anrechnen lassen.
Verjährung von Ansprüchen auf Schadensersatz?
Nach Auskunft von Audi gibt es eine niedrige vierstellige Zahl solcher Verfahren. Darunter seien aber auch Fälle, in denen so spät geklagt wurde, dass die Ansprüche möglicherweise verjährt sind. Andere Kläger hätten ihren Audi erst nach Auffliegen des Abgasskandals im September 2015 gekauft. Diese Gruppe hat laut BGH keinen Anspruch auf Schadensersatz, da das Thema seitdem so präsent gewesen sei, dass niemand sagen könne, VW habe ihn hinters Licht geführt.
BGH Termin zur Haftung von VW für Thermofenster abgesagt
Eine weitere für den 22.02.3021 anberaumte Verhandlung hatte der Bundesgerichtshof abgesagt. Dort sollte es darum gehen, ob auch die von VW auf Geheiß des Kraftfahrtbundesamts entwickelte neue Motorsteuerung für Skandalautos die Abgasreinigung illegal unter- und oberhalb bestimmter Lufttemperaturen abschaltet und der Konzern deshalb Schadensersatz zu zahlen hat. Der Besitzer eines VW Touran 2.0 TDI hatte seine Revision gegen die Abweisung der Schadenersatzklage durchs Oberlandesgericht Stuttgart kurz vor der Verhandlung zurückgenommen.
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Justus rät
Kommentar zum BGH Urteil:
Durch die erfolgreiche Revision hast sich der Dieselskandal für die Audi AG noch lange nicht erledigt, denn der BGH hat nicht festgestellt, dass Audi nicht für den Motor EA 189 mit unzulässiger Abschalteinrichtung haftet! Entscheidend könnte sein, wie das Oberlandesgericht Naumburg sich zur Frage positioniert, inwieweit Audi-Manager vom Dieselgate Kenntnis hatten. Interessant wird auch, wie die Audi AG ihrer sekundären Darlegungslast nachkommen will.
Audi Diesel Käufer sollten ihre Ansprüche auf Schadensersatz zeitnah von einem Spezialisten prüfen lassen. Hier sollte eine individuelle Beratung durch einen Rechtsanwalt im Dieselskandal erfolgen und keine Standartantworten und Angebote durch Internetplattformen. Wir halten die Klagen von Audi Fahrern gegen Audo oder VW weiter für aussichtsreich, soweit hier keine Verjährung vorliegt.